Herr Herbst und das Glück

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Vor 40 Jahren entdeckten Forscher HIV. Wer sich damals infizierte, war kaum zu retten. Heute hat eine Ansteckung ihren Schrecken verloren - ihr Stigma aber noch nicht. Josef Wirnshofer im BuchZwei der SZ über Herrn Herbst und das Glück

Vor 40 Jahren entdeckten Forscher das HI-Virus. Wer sich damals infizierte, war nicht zu retten, weder vor Aids noch vor der Gesellschaft. Heute hat eine Ansteckung ihren Schrecken verloren, ihr Stigma aber noch nicht. Die Geschichte eines Überlebenden.

Es muss kurz vor Weihnachten gewesen sein, Winter jedenfalls, denn der Mann trug einen langen Mantel. Er kam, um Briefmarken zu kaufen. Herr Herbst, der Schalterbeamte, erkannte ihn erst nicht. Da schaute der Mann ihn an: Fedor? Fedor Herbst schaute zurück. „Ich bin erschrocken. Das Gesicht total schmal, eingefallen, diese Augen, die schon nach hinten gehen.“ Aids im Endstadium.

Es muss immer noch Winter gewesen sein, denn auch der ältere Herr trug einen Mantel. Auch er kaufte Briefmarken. Fedor Herbst sah den Namen der Absender, den schwarzen Rand der Kuverts, Danksagungen wohl. Er hatte Gerlands Todesanzeige in dergelesen, also sprach er den Herrn an. „Ob er der Vater ist? Sagt er: Ja, kannten Sie ihn? Sag ich: Ja.“ Sie beugten sich beide vor an die Scheibe. Sie sprachen leise, ganz leise.

Verrückt aber auch, was sich nicht verändert. 2018 lehnte das Land Berlin einen jungen Mann ab, der sich als Berufsfeuerwehrmann beworben hatte. Wegen seines positiven HIV-Status sei er „dauerhaft feuerwehrdienstuntauglich“. 2020 schloss die Universität Marburg einen Zahnmedizinstudenten von seinen Kursen aus.

Er sei, sagt Fedor Herbst, eine halbe Portion gewesen. 26 Kilo in der vierten Klasse. Er wuchs in Markdorf auf, nicht weit vom Bodensee, als Jüngster von fünf Brüdern. Er spielte gern mit Puppen, las viel und hatte keine Lust, sich mit den Jungs aus dem Dorf zu prügeln. Wenn er gute Noten nach Hause brachte, freute sich seine Mutter. Sein Vater sagte: Pah, unser Professor. Der ist nichts, der kann nichts, der hat zwei linke Hände.

Hans Jäger saß gerade im Flugzeug nach Boston, als er in der Zeitung eine Nachricht las. Eine Randnotiz, zwanzig Zeilen vielleicht, über eine merkwürdige Erkrankung, die in New York und San Francisco auftrat, vor allem unter schwulen Männern. 1981 war das. Er blätterte weiter, dann legte er die Zeitung weg. Was sollte das schon sein? Es brechen ständig irgendwelche Krankheiten aus.

Wichtig war, keine Kittel zu tragen, wenn möglich auch keine Handschuhe. Den Menschen nicht das Gefühl zu geben, sie seien gefährlich. Aber sie waren nun mal da, mit schweren Lungenentzündungen, begleitet von Fieber, trockenem Reizhusten und Atemnot. Mit Kaposi-Sarkomen, groschengroßen Tumoren an Armen und Beinen, auf der Brust, im Gesicht, auf der Nase.Sie waren nun mal da, also hockte sich Hans Jäger zu ihnen ans Bett und hörte zu. Einer sagte, es gehe ihm gut, solange der Arzt sagt, alles wird gut.

Das Haus ist ein bisschen in die Jahre gekommen. Von außen erinnert nichts mehr an die Partys, bei denen es so voll war, dass Fedor Herbst mit seinem Tablett nicht durchkam. Was früher das Filou war, ist heute ein Lieferservice, Pizza und Döner. entgegen und ließ die Betroffenen unverstellt ihre Verachtung spüren. Ein Griff ins Archiv ruft den Sound jener Jahre noch mal ins Gedächtnis:

Schon als Kreisverwaltungsreferent hatte er den Münchner Sperrbezirk ausgeweitet und Razzien in Saunen durchführen lassen. Der Maßnahmenkatalog sah nun Zwangstests bei Prostituierten und „Fixern“ vor. HIV-Patienten, die „nachweisbar uneinsichtig sind“, sollten abgesondert werden können, so stand es in der Bekanntmachung des Innenministeriums.

Wie sehr sich die Aussicht besserte. Und doch blieb eines nie aus: Dass Patientinnen und Patienten Hans Jäger hier drinnen klagten, wie die Leute draußen auf ihre Infektion reagierten. Vor allem Ärzte. Vor allem die, die es besser wissen sollten.Er hat Pathologen erlebt, die sich weigerten, Gewebeproben aus Kaposi-Sarkomen zu fotografieren. Da müssten sie ja Angst haben, dass ihre Kamera sich infiziert und die Kamera dann sie.

Sechs Wochen. Irgendwo hatte er gelesen, dass etwa sechs Wochen nach einer Infektion Symptome auftreten können. Grippeähnlich, wie Mediziner sie nennen, unspezifisch. Also rechnete er zurück. November, ein Wochenende in Berlin. Dringt das HI-Virus in den menschlichen Körper ein, befällt es vor allem CD4-Zellen: Sogenannte T-Helferzellen, mit denen das Immunsystem sich wappnet, Krankheitserreger abzuwehren. Das Virus nutzt die Glykoproteine auf seiner Oberfläche, um an die Rezeptoren der Helferzelle anzudocken. Über dieses Einfallstor schleust es ein Protein ein, das die Zellhülle knackt. Danach verschmilzt es mit der Zelle und hinterlässt dort seine Erbinformation, die RNA.

Das Robert-Koch-Institut zählte zuletzt pro Jahr etwa 1800 Menschen in Deutschland, die sich neu mit HIV infiziert hatten. Besonders häufig wird es übertragen, wenn beim ungeschützten Sex einer der Partner nichts von seiner Infektion weiß. Im Moment wissen um die 8600 Menschen in Deutschland nicht, dass sie das Virus in sich tragen. Zumindest sind das die aktuellen Schätzungen.

Andrea Brunner ist eine heitere Frau, 64 Jahre alt. Wie anders alles war, als sie 1987 bei der Aidshilfe anfing. In ihrem Schrank bewahrt Andrea Brunner ein Trauerbuch auf. Sie legten es an, als das Sterben immer belastender wurde. Sie legten es für die Toten an, und für sich. Denn nicht nur die Toten waren jung, auch sie. Wenn ein Klient der Aidshilfe starb, konnten die Mitarbeiter aufschreiben, was sie bewegte.Jemand hinterließ ein Gedicht, zehn Worte nur: „Was du willst / Ruhe / Deinen / Freispruch / So wenig / So viel.

Beim Sanitätsdienst war seine HIV-Diagnose hinterlegt. Als der Ersthelfer zur Tür hereinging, trug er eine FFP2-Maske und zog sich Gummihandschuhe über. Als nach ihm noch zwei Sanitäter anrückten, habe der Ersthelfer sie gewarnt: Vorsicht, der ist HIV-positiv. Kai, sein bester Freund, war der Erste, dem er von seiner Infektion erzählte. Sie kannten sich aus der Sauna hier, Kai war selbst positiv, seit den Achtzigern schon. Fedor Herbst wollte über seine Infektion sprechen. Über die Therapie und die verdammten Nebenwirkungen. Da standen sie also, im vierten Stock am Tresen, und es dauerte nicht lang, bis Kai ihn zur Seite nahm.

Und plötzlich begann Fedor Herbst zu genießen. Ich nehme mit von der Welt, was geht, dachte er. „Auf einmal fing ich an, zum Vielflieger zu mutieren.“ Er sah sich die Welt an. Amerika, die ewige Verheißung.Es gab Jahre, da flog er drei Mal nach Chicago oder San Francisco. Am Montag klingelte wieder das Telefon. Kais Lebensgefährte. Kai war am Wochenende gestorben. Neben der HIV-Infektion hatte sich Krebs gebildet. Am Ende war sein Körper zu geschwächt. „Ich hab mir gedacht: Scheiße, der rief extra noch mal an. Der wollte sich verabschieden. Der wusste, dass er stirbt.“München, ein Nachmittag im Sendlinger Park. Es ist Frühling, die Kirschen blühen. Fedor Herbst geht mit seinem Hund spazieren.

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