Am 14. Juli 2021 wurde das Ahrtal überflutet. Besonders hart traf es den Ort Schuld. Nun kämpfen sich die Menschen zurück in den Alltag.
Daniel Böldt 9.7.2022, 09:46 Uhr
Müller-Lettau und ihr Mann hatten noch Glück. Ihr Haus liegt nicht weit entfernt von der Ahr, aber etwas erhöht. Ihnen wurden nur die Füße nass. Dennoch standen sie wie alle in Schuld unter Schock. Ihre Heimat wurde zerstört.Hunderte Freiwillige aus ganz Deutschland machten sich nach der verheerenden Flut auf in die vom Hochwasser betroffenen Gebiete, auch nach Schuld.
Die Beamtin Christina Müller-Lettau steht jetzt vor der Domhofbrücke, einer alten Steinbrücke aus dem Jahr 1910. Die Brücke steht noch – immerhin. Aber sie hat nichts mehr von ihrer Anmut, der Ortsfremde auf Fotos noch nachspüren können. Die enge Fahrbahn und die kleinen Brückenmauern wurden von dem Unrat und den Baumstämmen, die die Flut mit sich riss, zerstört.
Trotz der vielen Flutschäden gleicht die Gegend um die Domhofbrücke auch heute noch einem malerischen Idyll. Die Sonne glitzert im Fluss, auf einer Uferseite erhebt sich das Ahrgebirge, auf der anderen hat ein braungebrannter Mann ein Holzbrett aufgebockt, um es abzuschleifen. Jetzt sollen die Leitungen in die Brücke einbetoniert werden – zur Sicherheit. Aktuell sind sie jedoch gefährdeter als zuvor, denn sie führen als Provisorium entlang des Stahlgerüsts über die Brücke, im Freien. „Wir können froh sein, dass wir hier einen milden Winter hatten“, sagt Müller-Lettau. „Bei langfristigen Minusgraden ist unklar, wie lang die Leitungen halten.“ Auch ein neues Hochwasser könnte das Provisorium gefährden.
Müller-Lettau steigt in ihr Auto, die Domhofbrücke war der erste Stopp auf einer Rundfahrt durch Schuld, auf der sie erzählen will, wie es um den Aufbau steht, was gut läuft und was nicht so recht vom Fleck kommt. Sie drückt aufs Gaspedal, sie fährt sehr, sehr schnell, aber souverän. Vielleicht noch mehr als das Praktische, mehr als der fehlende Lebensmittelladen und der fehlende Bäcker, belastet das Psychische. „Sobald man das Haus verlässt, wird man mit den Folgen der Flut konfrontiert“, sagt Müller-Lettau. „Es gibt ein Leben vor und ein Leben nach der Flut.“ Besonders für ältere Menschen fühle es sich so an, als ob hier endgültig etwas verloren gegangen ist, sagt sie.
Fischer bittet in sein Haus. Er ist in Schuld aufgewachsen, hat seine Kindheit hier verbracht, bis er als Teenager mit der Familie wegzog. Dem Ort ist er verbunden geblieben, er hat Familie hier, arbeitet für eine Firma in Schuld als Gas-Wasser-Installateur. Zurückziehen wollte er seit einigen Jahren. Nur habe es vor der Flut weder Häuser noch Bauflächen gegeben.
Von der Flut erfährt Fischer noch in der Nacht auf den 15. Juli von seiner Tante, die noch in Schuld wohnt. Als der Ort wieder erreichbar war, ist er mit seiner Frau hingefahren. „Man hat einfach drauflos geholfen. Irgendwo gab es immer was zu tun“, sagt er. Und man könnte die Frage auch umdrehen. Wenn das Risiko für Fischer und seine Frau zu groß sein soll, müssten dann nicht alle anderen Rückkehrer auch fernbleiben? Ein Viertel aller Menschen im Ahrtal lebt weniger als 200 Meter von der Ahr entfernt. Sollen sie alle wegziehen? Es ist eine Abwägung.
Dass Fischer und seine Frau nun im Grunde auf einer Dauerbaustelle wohnen mit den vielen Fluthäusern um sie herum, stört sie nicht. „Der Aufbau geht voran, wenn auch langsam“, sagt Fischer. Er und seine Frau sind jetzt ein Teil davon.
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